Urban Hiking liegt voll im Trend. Wäre es noch vor 10 Jahren undenkbar gewesen, einen Wanderer in eine große Stadt zu locken, werden heute gezielt Wanderwege konzipiert, die das städtische Leben, Kultur und die grünen Gürtel der Metropolen verbinden. In Essen ist das besonders gut gelungen. Mittlerweile gibt es vier Routen, die die grünen Oasen mit den Highlights der Stadt verknüpfen. Nachdem wir letztes Jahr bereits den Baldeneysteig erwandert haben, stand dieses Jahr der Zollvereinsteig auf dem Programm.
Zollvereinsteig am Tag der Steige: Wandern mit Eventcharakter
Und um gleich auch noch ein Wanderevent mitzunehmen, haben wir den Zollvereinsteig am Tag der Steige in Angriff genommen. Beim Tag der Steige treffen sich viele Wanderfreunde, um auf unterschiedlich langen Routen ein Stadtgebiet in Essen zu erkunden. Dieses Jahr stand eben der Zollvereinsteig im Fokus.
Pünktlich um 9 Uhr morgens zur Eröffnung des Tages der Steige fanden wir uns an der Zeche Zollverein ein, um unseren Wanderpass abzuholen. Mit diesem Pass hat man – nach dem Sammeln aller Stempel – die Möglichkeit, eine kleine Wander-Pin zu bekommen. Der Tag ist komplett kostenfrei und zieht jedes Jahr tausende Wanderbegeisterte an. Auch diesmal waren es über 10.000!
Tourfacts zur Wanderung auf dem Zollvereinsteig

- Länge: ca. 27km mit allen kleinen Abstechern, Rundwanderung
- Startpunkt/Endpunkt: Parkplatz Zeche Zollverein
- Anreise: mit dem Auto – kostenloser Parkplatz an der Zeche Zollverein; ÖPNV ab Essen Hbf. Straßenbahn Linie 107, Haltestelle Zollverein
- Höhenmeter: ca. 300hm
- Anforderung: eine gute Portion Kondition
- Wegbeschaffenheit: gut ausgebaute Wege, viel Asphalt, beim Haldenabstieg teils steile Naturwege
- Einkehr: erstaunlich wenige mit wandertauglichen Öffnungszeiten, z.B. am Ende der Wanderung im Bistro Schacht XII
- Hunde: nur bedingt geeignet, aufgrund der Streckenlänge; Achtung im Sommer viel heißer Asphalt
So war unsere Wanderung auf dem Zollvereinsteig – Meine Erfahrungen
Start an der Zeche Zollverein: Industriekultur trifft Wanderlust
Wir starten bei strahlenden Sonnenschein an der Zeche Zollverein. Und dieser Einstieg in den Zollvereinsteig könnte kaum eindrucksvoller sein: Mitten durch das UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein zu wandern, fühlt sich an wie ein Spaziergang durch ein lebendiges Stück Ruhrgebietsgeschichte. Zwischen rostigen Rohren, riesigen Fördertürmen und stählernen Relikten vergangener Industriekraft entdeckt man auf Schritt und Tritt kleine Details, die faszinieren. Kein Wunder, dass die ersten Kilometer wie im Flug vergehen.



Durch Straßen und Parks: Der städtische Teil des Zollvereinsteigs
Nach dem eindrucksvollen Start an der Zeche führte uns der Zollvereinsteig weiter durch ein eher städtisch geprägtes Gebiet – vorbei an kleineren Parkanlagen, durch typische ruhrpöttische Straßenzüge und sogar über einige idyllisch angelegte Friedhöfe. Auch wenn diese Abschnitte durchaus ihren eigenen Charme haben, spürt man hier doch besonders stark, dass man sich mitten in einer Großstadt bewegt.
Für mich als Naturliebhaberin war dieser Teil der Tour eine kleine Herausforderung. Der ständige Wechsel zwischen Asphalt, Gehwegen und Straßenüberquerungen bremst den Wanderfluss und lässt das typische Naturgefühl nur schwer aufkommen. Statt Vogelgezwitscher begleitet einen hier oft das Brummen des Stadtverkehrs, und die vielen geraden Abschnitte fordern irgendwann auch die Füße mehr als einem lieb ist. Zum Glück war bald Abwechslung in Sicht, nämlich die Halde Schurenbach.
Die Halde Schurenbach: Wandern mit 360°-Panorama
In langen Serpentinen ging es hinauf – bis wir über die Himmelstreppe dem Gipfel der Halde Schurenbach entgegenstiegen. Mit ihren gerade mal 86 Metern Höhe mag sie klein erscheinen, aber der Ausblick ist riesig: Ein 360°-Panorama über das ganze Ruhrgebiet – inklusive qualmender Schornsteine und erstaunlich viel Natur.
Die fast schwarze, unbewachsene Bergkuppe wirkt wie eine Mondlandschaft. Gekrönt wird sie von der 15 Meter hohen Skulptur Bramme für das Ruhrgebiet. Nachdem wir diesen fremdartig anmutenden Ort auf uns haben wirken lassen, wanderten wir idyllisch bergab – durch ein Stück Natur, das sich herrlich wild und ruhig anfühlte. Ein kleiner Pfad führte uns zu einem Teich, der wie gemacht für eine kurze Pause schien.


Halde Eickwinkel und Herkules von Gelsenkirchen: Ruhrgebiet von oben
Kaum waren wir wieder im Tal, ging es auch schon hinauf auf die nächste Halde – die Halde Eickwinkel. Von oben hatten wir wieder ein schöne Panorama, das doch völlig anders war als zuvor. Irgendwie wilder und grüner präsentierte sich der Ruhrpott an dieser Stelle. Besonders auffällig war jedoch der Herkules von Gelsenkirchen, der auf einem 83 Meter hohen Turm thront – und selbst nochmal 18 Meter misst. Ein beeindruckender Anblick!
Abenteuer Zollvereinsteig: Trails, Waldwege und kleine Umwege
Über kleine Pfade ging es stetig bergab – durch viel Grün und schließlich zur letzten Halde des Zollvereinsteigs, der Halde Zollverein. Und hier wurde es plötzlich abenteuerlich: Schmale, steile Pfade, die stark nach Mountainbike-Trails aussahen. Ein Wegweiser warnte uns sogar vor dem Gefälle – zu Recht! Nach dieser kleinen Adrenalin-Einlage wanderten wir wieder entspannt weiter, durch den grünen Gürtel der Stadt.
Zwischendurch passierten wir noch ein paar Friedhöfe – einer davon war zum Glück mit einer Toilette ausgestattet. (Kleines Wanderhighlight am Rande!)




Die wilde Seite Essens
So langsam näherten wir uns dem Ende der Tour – aber nicht, ohne vorher noch einmal richtig ins Unterholz zu geraten. (Natürlich erst, nachdem wir einen Abzweig verpasst hatten!) Plötzlich standen wir mitten in der grünen Wildnis des Essener Nordens. Doch dann entdeckten wir ein verwittertes Zeichen des Zollvereinsteigs – Glück gehabt!
Der Weg führte uns direkt zum letzten Friedhof der Tour. Diesen mochte ich besonders: Alt, weitläufig und voller blühender Bäume – gerade im Frühling ein echtes Naturparadies mitten in der Stadt. Der zweite Teil des Zollvereinsteigs hat mich tatsächlich mit dem eher städtischen Beginn versöhnt. Mit müden Füßen und voller Eindrücke ließen wir den Tag an der Zeche ausklingen – stilecht mit einer Pommes, die einige der vorherigen Strapazen schnell vergessen ließ.
Der Komoot Track zum Zollvereinsteig
Tag der Steige in Essen



Wie schon erwähnt, sind wir den Zollvereinsteig im Rahmen des Tags der Steige gewandert. Wer die Profirunde – also die gesamte Strecke – schafft und alle Stempel sammelt, erhält als Belohnung den goldenen Wanderpin des Events. Aber auch wer eine kürzere Runde vorzieht – wobei von kleiner Familientour bis Halbtageswanderung alles vertreten ist- geht nicht leer aus. Für Kinder gibt es eine tolle Medaille und alle anderen werden mindestens mit dem silbernen Wander-Pin vom Tag der Steig belohnt. Alle Informationen zum Urban Hiking in Essen und dem Tag der Steige findest du hier.
Fazit zum Zollvereinsteig: Zwischen Industriekultur und Naturmomenten
Tja, was soll ich sagen – der Zollvereinsteig lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Einerseits: die beeindruckende Industriekulisse der Zeche Zollverein, das Panorama von den Halden – einfach unvergesslich! Andererseits: Ich mag es persönlich lieber, abseits von Asphalt und Straßen unterwegs zu sein. Für Kulturinteressierte ist der Zollvereinsteig aber auf jeden Fall ein tolles Erlebnis. Wer mehr Natur sucht, dem empfehle ich ganz klar den Baldeneysteig.
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